Schwestern und Brüder
vom heiligen Benedikt Labre e.V.

Teefahrer-Geschichte von Toni Egle

30. September 2021

Mein Name ist Toni Egle, ich bin Jahrgang 1949 und inzwischen Rentner. Davor habe ich als Fernmeldetechniker gearbeitet.

Meine erste Begegnung mit dem Haus und den Bewohnern an der Pommernstraße hatte ich im Herbst 1985. Damals besuchte ich meinen Freund Toni Weber, der zu dieser Zeit als Arbeiterpriester tätig war und hier wohnte. Von ihm erfuhr ich, dass in der Kapelle immer freitagabends Gottesdienst gefeiert wird. In den nächsten Jahren besuchte ich sporadisch diese Gottesdienste und kam so immer mehr in Kontakt mit Walter Lorenz.

Bei einem Gespräch im April 1990 fragte mich Walter, ob ich mir zutrauen würde, als Teefahrer tätig zu werden. Ehrlich gesagt, konnte ich mir das nicht vorstellen, aber er ermunterte mich, mit ihm am Sonntagabend auf Tour zu gehen. Gesagt, getan. Meine erste Fahrt mit der Möwe Jonathan war für mich sehr beeindruckend. So habe ich mir das Ganze nicht vorgestellt. „Weltstadt mit Herz“ war damals der Wahlspruch der Stadt München, und dann leben und schlafen Menschen dieser Stadt auf Bänken und unter Brücken. Es folgten noch mehrere Fahrten mit dem Walter und mir als Beifahrer.

Jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, konnte ich nicht einschlafen. Meine Gedanken kreisten um das Geschehen der vergangenen Stunden. Von da an war mir klar, das Teefahren ist mein Ding. Walter war über meine Entscheidung sehr erfreut und augenzwinkernd meinte er, ein paar Jahre sollte ich schon durchhalten. Dass daraus 30 Jahre wurden, konnte sich keiner von uns beiden vorstellen. So begann ich, einmal wöchentlich mit der Möwe Jonathan durch die Stadt zu fahren und Brot und Tee an unsere Freunde von der Straße auszuteilen. Meine Beifahrerin war von nun an für viele Jahre eine Ordensfrau von den Barmherzigen Schwestern. Sie war schon einige Jahre Teefahrerin, und von ihr habe ich eine Menge gelernt.

In all den Jahren gab es viele Begegnungen und Gespräche. Einige sind mir immer noch im Gedächtnis. So auch die Begegnung mit Fritz. Wir unterhielten uns über Fußball, und es fiel der Name Gerd Müller. Darauf meinte der Fritz:“ Der Müller hat mir 5 Tore reingedrückt“. Ich fragte nach, und er sagte mir, dass er im Kreis Nördlingen (wie G. Müller) aufgewachsen ist und in seinem Verein als Torwart Fußball gespielt hatte. Danach erzähle er mir seine traurige Geschichte, wie er nach München gekommen ist. Fritz ist wenige Jahre danach an Krebs erkrankt und daran verstorben. Jedes Mal, wenn ich den Namen Gerd Müller höre, fällt mir diese Geschichte wieder ein.

Jede Woche freitags, das war mein Tag, an dem ich zu meinen Freunden auf der Straße fuhr. Dieser Tag war fest gebucht, und jeder in meiner Familie sowie meine Bekannten wussten, dass ich nicht zu Hause bin. Das wöchentliche Fahren hatte auch den Vorteil, dass ich zu Vielen im Laufe der Zeit eine Beziehung aufbauen konnte, ihre Vornamen wusste und sie so ansprach. Wenn einer von ihnen gestorben ist, dann ist mir das Tage nachgegangen. Als in den letzten Jahren immer mehr Osteuropäer zu uns kamen, wurde die Verständigung schwieriger, und ich war immer froh, wenn ich einen Dolmetscher fand. Ich habe viele von ihnen als nette und dankbare Menschen kennengelernt.

Krankheitsbedingt und vor allem durch die sich abzeichnende Corona-Krise habe ich mich entschlossen, mit dem Teefahren aufzuhören. In der Gewissheit, dass es viele jüngere Leute, gibt die dieses Werk fortsetzen, war meine letzte Teefahrt im März 2020. 30 Jahre habe ich gerne Tee und Brot zu meinen Freunden gebracht, und ich möchte diese Zeit nicht missen. Dankbar bin ich für all diese Jahre. Der verstorbene Bischof Siebler hat es so ausgedrückt: „Was ihr macht, kommt dem Evangelium sehr nah.“

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